Dokumentation der Fachtagung Partizipation in der Suchtkrankenhilfe

Das Bundesteilhabegesetz fordert die Umsetzung von Inklusion im Sinne der Förderung von gleichberechtigter Teilhabe für alle Menschen mit oder ohne Beeinträchtigungen, was zu Veränderungen von Strukturen und Abläufen in den Einrichtungen der Suchthilfe führt. Aus diesem Anlass standen partizipative Ansätze in Suchtprävention und Suchthilfe im Fokus der Jahrestagung am 13. November 2019.

Den Auftakt machte Prof. Dr. med. Gerhard Trabert, Hochschule RheinMain mit einemFachvortrag zum Thema Stärkung der psychosozialen Gesundheit von chronisch mehrfach beeinträchtigten Menschen. Prof. Dr. Trabert legte in seinem Vortrag einen Schwerpunkt auf strukturelle Benachteiligungen, denen chronisch kranke Menschen ausgesetzt sind und die mit sozialer Arbeit nicht beseitigt werden können. Ein wesentlicher Aspekt sei es im weiteren, die vielfältigen Ressourcen, über die – auch - chronisch kranke Menschen verfügen, in der Arbeit stets mit einzubeziehen und damit einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Selbstwertgefühls der Betroffenen zu leisten. Als Beispiel berichtete er von einem Projekt, bei dem Obdachlose Spenden für Kinder in Weißrussland sammelten.

Zu partizipativen Ansätzen in der Suchtprävention berichtete danach Dr. Petra Narimani, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin. Dr. Narimani benannte Partizipation als Vorbedingung für Inklusion und machte darauf aufmerksam, dass dies keine neue Methode sei. Sie benannte dabei unter anderem Action Research (Aktionsforschung nach Kurt Lewin) als eine Methode, die als Spirale sich wiederholender Schritte gut in der Suchthilfe und Suchtprävention eingesetzt werden kann.

In einer anregenden Podiumsdiskussion diskutierten Dr. Petra Narimani, Birgit Schröder (Der Paritätische Hamburg), Payam Abassi (Narcotics Anonymous) und Dietrich Hellge-Antoni (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz) nach den Impulsvortägen gemeinsam mit dem Publikum, wie inklusiv die Suchthilfe bereits sei und welche Herausforderungen es noch zu überwinden gilt. Eine Frage die sich den Suchtberater*innen zukünftig wahrscheinlich häufiger stellen wird ist, wie weit das Recht auf Teilhabe gehen kann, wenn es um Therapieziele geht und der bzw. die Klient*in zum Beispiel kontrolliert weiter konsumieren möchte, wenngleich dies aus Sicht der Suchtberater*in nicht zielführend wäre.

Zusammenfassung der Workshopsessions am Nachmittag:

gesundhigh – ein Präventionsprogramm (Alida-Schmidt-Stiftung)
Vor dem Hintergrund eines Leitungswechsels in der Einrichtung entstand für die betreuen Frauen/ Klientinnen das Gesundheitsprojekt gesundhigh. In insgesamt sieben Workshops innerhalb eines Jahres wurde mit allen Mitarbeitenden eine gemeinsame Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragestellungen der Zusammenarbeit und Inhalte begonnen mit dem Ziel, die Gesundheit der Klientinnen zu fördern. In dem Projekt wurden Fragen bearbeitet wie z.B. wie sich die intrinsische Motivation der Klientinnen aktivieren lässt, wie sich die Ziele der Klientinnen besser berücksichtigen lassen, interaktive Methoden entwickelt und ein Peer-to-peer-Ansatz ausprobiert.

Rosa – Fallbesprechung einer Familie in der eine Suchtmittelabhängigkeit besteht (IGLU Beratungsstelle, Palette e.V.)
Im Workshop stellten zwei Mitarbeiterinnen der IGLU Beratungsstelle anhand des Falls Rosa aus ihrer Beratungsarbeit vor, wie ein aus ihrer Erfahrung relativ typischer Lebensweg eines Kindes aus einer drogenbelasteten Familie aussieht. Danach beschäftigten sich die Workshop-Teilnehmer*innen in vier Arbeitsgruppen u.a. mit der Frage, inwiefern Rosa partizipativ auf ihrem Lebensweg begegnet wurde und wie man selbst als Fachkraft in seinem eigenen Arbeitsfeld mit Rosa gearbeitet. Die Erkenntnis der Workshop-Teilnehmer*innen fiel relativ ernüchternd aus: Leider ist ein partizipatives Arbeiten in Familien mit Drogenproblemen noch nicht selbstverständlich.

Partizipation von Kindern suchtbelasteter Eltern (Such(t)- und Wendepunkt e.V.)
Im Workshop wurde einerseits die Arbeit von Such(t)- und Wendepunkt e.V. (SuW) vor der Fragestellung vorgestellt, wie partizipativ der Anbieter von Familienhilfe für alkoholbelastete Familien bereits arbeitet. Einen Schwerpunkt im Workshop stellte die Vorstellung der Wochenendfreizeiten für 8-13jährige Kinder aus alkoholbelasteten Familien dar. In die Vorbereitung und Ausgestaltung der vom Verein 4- bis 6-mal jährlich angebotenen Wochenendausflüge werden die Kinder einbezogen. Auf diese Weise fand SuW heraus, dass den Kindern Zeit für freies Spiel besonders wichtig ist.

Geistige Behinderung und Suchterkrankung – Chancen und Grenzen Partizipativer Ansätze (TGJ Suchtberatung)
Robert Scheibe von der TGJ Suchtberatung diskutierte in der von ihm geleiteten Session mit den anwesenden Teilnehmer*innen die besonderen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit „Geistiger Behinderung und Suchterkrankung“ ergeben. Durch die zunehmende Ambulantisierung in der Behindertenhilfe nehmen auch die Anforderungen an die betroffene Personengruppe zu, so dass bestimmte Aufgaben nunmehr allein oder mit weniger Unterstützung als im bisher elterlichen oder stationären Wohnumfeld bewältigt werden müssen. Die gewonnene Eigenverantwortung und Unabhängigkeit der Betroffenen geht allerdings auch mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung von Suchtproblemen einher, die eine adäquate Präventions- und Unterstützungsstrategie durch die Systeme der Behinderten- und Suchtkrankenhilfe bedürfen.

Partizipation am Beispiel einer fremdsprachigen Selbsthilfegruppen der Narcotics Anonymous (NA)
Payam Abassi stellte im Rahmen eines Forums einen partizipativen Ansatz am Beispiel einer fremdsprachigen Selbsthilfegruppe vor. Es wurde herausgearbeitet, wie wichtig die gemeinsame und gemeinschaftliche Unterstützung der Mitglieder im Meeting für die Stabilisierung im Rahmen einer Entwöhnung oder aber auch zur Förderung der Motivation, den eigenen Konsumstatus zu verändern sein kann. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Faktor, dass auch Besucher*innen, die schon lange in Deutschland (Hamburg) leben, des hier persischsprachigen Meetings ein Heimat- und Zughörigkeitsgefühl entwickeln, dass ihnen weitere Sicherheit und Stabilität gibt. Im Forum fand ein überaus anregender Austausch zu der eigenen Geschichte von Payam Abassi, aber auch der Verbreitung und Rolle der NAs besonders im persischsprachigen Raum und für die erfolgreiche Nachsorge einer Suchtbehandlung statt.

Planspiel: Partizipation Betroffener – Fachausschuss Suchtselbsthilfe NRW (Blaues Kreuz Deutschland e.V.)
Ziel des Projektes Partizipation Betroffener ist es, ein gemeinsames Verständnis von Betroffenenkompetenz in allen Feldern der haupt- und ehrenamtlichen Suchthilfe zu entwickeln und daraus Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, um die Fähigkeiten, Erfahrungen und Bedarfe Betroffener systematisch zur Weiterentwicklung des Suchthilfesystems in NRW, insbesondere in den Kommunen einzubinden. Für die Erhebung der Kompetenzen wurde ein Planspiel entwickelt und umgesetzt und erste Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Die Workshopteilnehmer*innen waren besonders beeindruckt, wie gut die verschiedenen Akteure der haupt- und ehrenamtlichen Suchthilfe einbezogen werden konnten und dass die Selbsthilfe intensiv in die Erarbeitung der Suchthilfekonzeption der Stadt Krefeld einbezogen wurde.

Vorträge zum Download:

Prof. Dr. Gerhard Trabert - Psychosoziale Gesundheit von chronisch mehrfach beeinträchtigten Menschen stärken. Aber wie?

Dr. Petra Narimani - Partizipative Ansätze in der Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe: Möglichkeiten, Chancen, Herausforderungen

Die beiden Vortäge können auch auf unserem YouTube-Kanal angesehen werden

Kontakt

SUCHT.HAMBURG
Information.Prävention.
Hilfe.Netzwerk.

Repsoldstr. 4
20097 Hamburg
Fon: 040 284 99 18-0
service@sucht-hamburg.de
www.sucht-hamburg.de

Ansprechpartnerin

Christiane Lieb
(Geschäftsführerin)