Liebe*r Leser*in,
in unserer Herbstausgabe von Mittelpunkt richten wir den Blick ein Stück weit über das Thema Sucht hinaus. Neben dem Hamburger Gesundheitsförderungs- und Präventionsbericht präsentieren wir Ihnen die zentralen Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Shell-Jugendstudie 2024. Fragen wie „Welche Nachwirkungen hat Corona?“ oder „Wie gehen Jugendliche mit ihrer Angst vor einem Krieg in Europa um?“ beschäftigen uns auch in unserer täglichen Arbeit.
Ausführliche Informationen hierzu sowie viele weitere Hinweise aus dem Suchthilfesystem, zu Projekten, Materialien und Veranstaltungen in Hamburg und darüber hinaus finden Sie wie gewohnt in unserem Newsletter. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und eine schöne Herbstzeit.
Christiane Lieb
Geschäftsführerin SUCHT.HAMBURG
Wenn das Smartphone zum Online-Casino wird
Anlässlich des Aktionstags Glücksspielsucht am 25. September 2024 informierte SUCHT.HAMBURG über die besonderen Risiken, die von Online-Glücksspielen ausgehen.
Hintergrund des von uns gewählten Schwerpunkts ist, dass etwa die Hälfte der Menschen, die sich in den vergangenen zwölf Monaten an einem Glücksspiel beteiligt haben (36,5%; Quelle: Buth, S.; Meyer, G.; Rosenkranz, M.; Kalke, J. 2024), auch Erfahrungen mit Online-Glücksspielen gemacht hat. Glücksspiele im Internet sind hierzulande also weit verbreitet – eine aus unserer Sicht besorgniserregende Entwicklung, denn Expert*innen stufen online gespielte Glücksspiele als besonders riskant ein.
Hinzu kommt, dass die Anbieter*innen mit Lockangeboten, wie zum Beispiel „Gratisspielen“ oder „Willkommensboni“, regelmäßig neue Spieler*innen gewinnen. Viele, die sich darauf einlassen, kommen dann nur schwer wieder davon los. Das liegt auch daran, dass Online-Casinos rund um die Uhr geöffnet sind. Die Teilnahme ist anonym und mit einem Smartphone oder Tablet kann auch unterwegs gespielt werden. Es sind gerade diese „Vorzüge“ des Internets, die Online-Glücksspiele so gefährlich machen. Schneller als viele glauben, geht der Überblick über Einsätze und Verluste verloren – und das Spielverhalten gerät außer Kontrolle.
Auch wenn die Situation Betroffenen dann häufig als ausweglos erscheint, ist es möglich, das Ruder herumzureißen, vor allem mit Hilfe professioneller Unterstützung der Suchthilfe. Auf unserer Website www.automatisch-verloren.de finden Betroffene einen Überblick zu Hilfsangeboten in Hamburg sowie Selbsttests zur Einschätzung des eigenen Spielverhaltens.
Automatisch Verloren ist ein gemeinsames Projekt der Sozialbehörde und von SUCHT.HAMBURG.
Hamburger Gesundheitsförderungs- und Präventionsbericht 2023
Die Sozialbehörde hat den "Hamburger Gesundheitsförderungs- und Präventionsbericht 2023" vorgelegt, der die bisherige Umsetzung des Präventionsgesetzes in Hamburg abbildet.
Der Bericht umfasst unter anderem zentrale Maßnahmen und Projekte der Gesundheitsförderung, strukturelle Entwicklungen sowie deren Wirkung auf die Bürger*innen. Zentraler Schwerpunkt des Berichts ist die psychosoziale Gesundheit der Bevölkerung in Hamburg.
Seit Einführung des Präventionsgesetzes im Jahr 2015 setzt Hamburg verstärkt auf die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten. Diese Maßnahmen sollen soziale Ungleichheiten verringern und besonders in benachteiligten Stadtteilen verankert werden. In Bezug auf die psychosoziale Gesundheit legt die Sozialbehörde in ihrem Bericht dar, dass angesichts der zunehmenden psychischen Belastungen, insbesondere bei jungen Menschen und Frauen, gezielte Unterstützungsangebote ausgebaut werden müssen. Grundlage zur Planung und Optimierung dieser Maßnahmen sind unter anderem die Hamburg City Health Study oder die NAKO-Gesundheitsstudie. Im Weiteren werden im Bericht Projekte in verschiedenen Lebenswelten vorgestellt, wie etwa Schatzsuche für Kinder, teamw()rk für Gesundheit und Arbeit für Erwerbslose oder Mach mit – bleib fit! für ältere Menschen.
Die Sozialbehörde plant im insbesondere die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen weiter zu stärken. Programme wie etwa Mental Health First Aid sollen das Wissen über psychische Gesundheit verbreiten und erste Hilfen bei psychischen Krisen bieten. Das Thema Klimawandel und Gesundheitsschutz soll im Zusammenhang mit klimabedingten Gesundheitsrisiken bearbeitet werden. So soll ein Hitzeaktionsplan entwickelt werden, der über Gesundheitsgefahren aufklären und konkrete Verhaltensempfehlungen geben soll.
Abschließend hebt die Sozialbehörde in ihrem Bericht die Notwendigkeit von Qualitätsstandards hervor, um sicherzustellen, dass die Angebote nachhaltig und wirksam sind. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, darunter die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung und die Koordinierungsstelle für Gesundheitliche Chancengleichheit soll dies gewährleistet werden.
Der Bericht endet mit einem Ausblick und der Ankündigung, dass zukünftige Berichte verstärkt konkrete Maßnahmen und deren Wirksamkeit analysieren werden. Ein gemeinsames Verfahren zur Berichterstattung und Evaluation wird derzeit entwickelt. Der vollständige Bericht kann hier heruntergeladen werden.
SHELL Jugenstudie 2024 „Pragmatisch zwischen Verdrossenheit und gelebter Vielfalt“
Die kürzlich veröffentlichte Shell Jugendstudie 2024 bietet detaillierte Einblicke in das Leben, Einstellungen und Werte der Jugendlichen in Deutschland zwischen 12 und 25 Jahren. Sie zeigt eine Generation, die durch Herausforderungen wie Klimawandel, geopolitische Konflikte und wirtschaftliche Unsicherheiten belastet ist, aber dennoch optimistisch bleibt. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2.509 Jugendlichen sowie ergänzenden qualitativen Interviews und bietet so ein differenziertes Bild der jungen Generation in Deutschland. Zentrale Themen der Shell-Studie sind gesellschaftliche und politische Einstellungen, Ängste und Sorgen, Wertorientierungen, berufliche Perspektiven und Zukunftserwartungen, Klimawandel und Nachhaltigkeit, sowie Bildung und der Einfluss digitaler Medien auf das Leben.
Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass das politische Interesse der Jugendlichen stark gestiegen ist. 55 % der Jugendlichen sind an Politik interessiert, ein erheblicher Anstieg gegenüber den 2000er Jahren. Politik ist dabei zunehmend geschlechterübergreifend ein Thema und die Bereitschaft zum politischen Engagement der Jugendlichen ist auf 37 % angestiegen und wächst damit kontinuierlich. Die Mehrheit der jungen Menschen vertraut Institutionen wie dem Bundesverfassungsgericht und der Polizei, während die Unterstützung für die NATO hoch ist (69 %). Gleichzeitig empfinden 44 % die Notwendigkeit einer „starken Hand“ für Ordnung, was auf eine gewisse Sehnsucht nach Stabilität hindeutet. Die Gefahr eines Krieges in Europa beunruhigt 81 % der Jugendlichen, und 67 % sorgen sich über die wirtschaftliche Lage und mögliche Armut. Diese Ängste haben die Sorge vor Arbeitslosigkeit (35 %) überholt, was einen historischen Tiefstand markiert. Der Klimawandel (63 %) und Umweltverschmutzung (64 %) sind weitere bedeutende Ängste.
Die Mehrheit der Jugendlichen (80 %) sieht dabei den Menschen als Hauptverursacher des Klimawandels. Während junge Frauen stärker auf Umweltbewusstsein setzen (68 %), lehnen 43 % der Jugendlichen bevormundende Vorschriften von Umweltaktivisten ab. Insgesamt verteidigen nur 25 % der Befragten die Aktionen radikaler Umweltgruppen wie der „Letzten Generation“. Ein größerer Teil (56 %) empfindet Distanz zu solchen Maßnahmen. Insgesamt betrachtet verliert umweltbewusstes Verhalten bei Jugendlichen leicht an Bedeutung.
Auch die zunehmende soziale Feindseligkeit (64 %) wird als Besorgnis empfunden, besonders im Hinblick auf Ausländerfeindlichkeit (58 %). Toleranz bleibt trotz der vermehrten gesellschaftlichen Spannungen ein zentraler Wert, mit Ablehnungsquoten gegenüber Flüchtlingen und LGBTQ+ Personen von unter 20 %.
Soziale Beziehungen, wie stabile Freundschaften und ein harmonisches Familienleben, bleiben zentrale Werte für die Mehrheit. Diese Prioritäten haben sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert. Junge Menschen schätzen Sicherheit, Fleiß und gesetzestreues Verhalten. Das Bedürfnis nach persönlicher und gesellschaftlicher Sicherheit hat gegenüber 2019 zugenommen (87 %). Dies zeigt sich auch darin, dass 91 % der Jugendlichen sich vor allem Arbeitsplatzsicherheit wünschen. Das Streben nach einem hohen Einkommen (83 %) und guten Aufstiegsmöglichkeiten (80 %) nimmt ebenso zu, wie das Interesse an Home-Office (69 %). Jugendliche schätzen sowohl berufliche Erfüllung als auch finanzielle Sicherheit. Dabei legen junge Männer legen mehr Wert auf materielle Vorteile, junge Frauen auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Trotz geschlechtsspezifischer Unterschiede streben die meisten nach Anerkennung und Sinn im Beruf.
In Bezug auf Medienkonsum zeigt sich, das klassische Medien wie ARD und ZDF die vertrauenswürdigsten Informationsquellen (83 %) bleiben. Online-Kanäle wie YouTube und soziale Netzwerke gewinnen an Relevanz, bleiben aber weniger vertrauenswürdig. Jugendliche wünschen sich zudem verstärkten Unterricht über digitale Medien und Fake News in der Schule. Dort bestimmt die soziale Herkunft weiterhin maßgeblich die Bildungserfolge. Jugendliche aus bildungsfernen Haushalten streben seltener das Abitur an. Jugendliche mit höherem Bildungshintergrund sorgen sich mehr um den Klimawandel und soziale Kohäsion, während ökonomische Sorgen bei Jugendlichen aus benachteiligten Verhältnissen überwiegen.
Zusammenfassend zeigt sich eine diverse Jugendgeneration, die trotz zahlreicher Ängste pragmatisch und weitgehend resilient bleibt. Die jungen Menschen sind sozial engagiert, schätzen Sicherheit und soziale Nähe und reflektieren kritisch ihre Rolle in der Gesellschaft. Politisch bewegen sie sich mehrheitlich im linken und progressiven Spektrum, mit wachsendem Interesse an sozialer Gerechtigkeit und politischen Partizipationsmöglichkeiten. Quelle und weitere Informationen
Weitere Neuigkeiten und Materialien
In eigener Sache: Absage der Jahrestagung 2024 von SUCHT.HAMBURG
Der Fachkräftemangel betrifft inzwischen alle Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Diese Herausforderung spüren wir auch unmittelbar in unserer eigenen Arbeit, so dass wir aufgrund eines akuten Personalmangels unsere Jahrestagung 2024 bedauerlicherweise absagen mussten. Wir danken allen, die als Referent*innen und Workshopleitungen in unsere Planungen einbezogen waren sowie allen Interessierten, die sich bereits angemeldet hatten und bitten um Verständnis für unsere Entscheidung. Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, im Jahr 2025 wieder eine Tagung anbieten zu können.
ZEITUNG für Suchtprävention
Im September ist die 60. Ausgabe unserer ZEITUNG für Suchtprävention erschienen. Themen sind die Teillegalisierung von Cannabis, unser Projekt "Der Mediencoach", Effekte von Lebenskompetenztrainings, ein Interview mit der Einrichtung GET OUT und vieles mehr. Die ZEITUNG kann in unserem Shop unter www.sucht-hamburg.de/shop heruntergeladen oder bestellt werden.
Zusammenfassendes Lagebild Cannabis
Kürzlich ist eine Zusammenfassung ausgewählter Cannabiskonsumtrends unter Jugendlichen und Erwachsenen in Hamburg erschienen. Die Publikation gibt einen Überblick über verschiedene relevante Kennzahlen, um die Situation des Cannabisgebrauchs in Hamburg mit Blick auf etwaige zukünftige Veränderungen aufgrund der Teillegalisierung von Cannabis beurteilen zu können. Download Baumgärtner, Theo (2024): Lagebild Cannabis. Zusammenfassung ausgewählter Konsumtrends unter Jugendlichen und Erwachsenen in Hamburg.
DHS-Bericht zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland
Personal- und Fachkräftemangel, hohe Beratungsnachfrage und komplexe Fälle setzen die Suchthilfe immer stärkerem Druck aus, berichtet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) in ihrem kürzlich erschienen Bericht zur Finanzierung der Suchtberatung. Laut DHS kann die überwiegende Zahl der Suchtberatungsstellen ihre Kosten nicht decken. Diese und weitere alarmierende Ergebnisse finden Sie im DHS-Bericht (Quelle und Download)
Neue Cannabis-Infokampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Mit einer neuen Motiv-Kampagne „Young, wild & …“ will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Jugendliche und junge Erwachsene darin bestärken, einen gesunden Lebensstil zu verfolgen. Die Aktion soll dazu anregen, sich über die Risiken des Cannabiskonsums zu informieren, um dann eine bewusste Entscheidung zu treffen und das nicht auf Basis von Meinungen und Mythen, sondern belastbaren Fakten in Bezug auf Cannabiskonsum. Die Motive können im Shop der BZgA bestellt werden. Quelle
Neue DHS-Basisinformationen zu Digitalen Medien
Die DHS hat ihre Reihe „Basisinformationen“ um eine neue Broschüre zum Thema Digitale Medien erweitert. Die Publikation richtet sich an Interessierte sowie Fachkräfte, die einen ersten Überblick zur Nutzung sowie zu Wirkung, Gefahren, gesundheitlichen Folgen und weiteren Aspekten von digitalen Medien bekommen möchten. Die Broschüre kann im Shop der DHS kostenfrei heruntergeladen oder bestellt werden.
Ausgewählte Fortbildungsangebote in Hamburg
Trauma und Sucht bei weiblichen Jugendlichen am 6. November Mehr Informationen und Anmeldung
Zertifikatsschulung „CAN Stop“-Trainer*in – Fachkräfteschulung am 15. November Mehr Informationen und Anmeldung
Grundlagen der Suchtprävention I – Basisseminar am 19. November Mehr Informationen und Anmeldung
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft – Webseminar am 27. November Mehr Informationen und Anmeldung
Liebe, Lust und Rausch – Konsum und Sexualität bei Jugendlichen am 26. November Mehr Informationen und Anmeldung
Suchterkrankungen – Grundlagenseminar am 2. Dezember Mehr Informationen und Anmeldung
Viele weitere aktuelle Fortbildungsangebote in Hamburg finden Sie auf unserer Fortbildungswiese
Termine
Aktionstag Suchtberatung am 14. November bundesweit Mehr Informationen
Fachtag Cannabisprävention im Kontext von Elternabenden am 29. November in Hamburg Mehr Informationen
Wissenschaftliche Tagung des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. am 5. und 6. Dezember in Berlin und online Mehr Informationen
30. Kongress Armut und Gesundheit „Gesundheit fördern, heißt Demokratie fördern“ am 17. und 18. März 2025 in Berlin Mehr Informationen
„Vielfalt von Konsummustern und Verhaltensweisen – Die Suchthilfe auf dem Weg in die Zukunft“ 109. wiss. Jahrestagung des Bundesverband Suchthilfe e. V. am 19. und 20. März 2025 in Berlin Mehr Informationen
Save the Date 29. Suchttherapietage in Hamburg vom 26. bis 28. Mai 2025 Mehr Informationen
Gremien von SUCHT.HAMBURG
AK Kinder von suchtbelasteten Eltern 18. November
FASD-Netzwerktreffen 27. November
AK Vielfalt 5. Dezember
AK Enter 5. Dezember
AK Sucht.Jugend 11. Dezember
Die Termine unserer Gremien finden Sie stets aktuell auch unter www.sucht-hamburg.de/information/termine
SUCHT.HAMBURG
Information.Prävention.
Repsoldstr. 4
20097 Hamburg
Fon: 040 284 99 18-0
service@sucht-hamburg.de
www.sucht-hamburg.de
Ansprechpartnerin
Christiane Lieb
(Geschäftsführerin)
Information.Prävention.Hilfe.Netzwerk.
Repsoldstr. 4
20097 Hamburg
Fon: 040 284 99 18-0
service@sucht-hamburg.de
www.sucht-hamburg.de
Montag 10.00 – 16.00 Uhr
Dienstag 10.00 – 16.00 Uhr
Mittwoch 10.00 – 16.00 Uhr
Donnerstag 10.00 – 16.00 Uhr
Freitag nach Vereinbarung