Dokumentation der Jahrestagung ENTER.CONTROL.EXIT

Am 16. November 2022 fand die Jahrestagung „ENTER. CONTROL. EXIT. Internetbezogene Störungen in der Diskussion“, die von Staatsrätin Melanie Schlotzhauer eröffnet wurde.

Die Ergebnisse der SCHULBUS-Studie 2021/2022 zeigen, dass etwa jede*r fünfte Jugendliche in Hamburg einen problematischen Umgang mit dem Internet aufweist. Internetbezogene Störungen haben verschiedene Facetten: neben einer exzessiven Nutzung von Computerspielen zählen auch der erhöhte Konsum von Social Media und die zwanghafte Nutzung von Online-Pornographie dazu. Vielfältig sind auch die suchtfördernden Mechanismen von digitalen Medien. Glücksspielähnliche Elemente in Computerspielen weichen die Grenze zwischen Gaming und Gambling zunehmend auf. Trends in Social Media sind ebenfalls schnelllebig und dynamisch. Diese Entwicklungen stellen die Suchtprävention und –hilfe immer wieder vor neue Herausforderungen. Internetbezogene Störungen standen daher im Mittelpunkt der diesjährigen Tagung von SUCHT.HAMBURG am 16. November. Mit über 80 Teilnehmenden fand sie in der Hamburger Fachöffentlichkeit großen Anklang.

Internetnutzungsstörungen haben sich unter den Suchterkrankungen als eigenständiges Krankheitsbild etabliert. Die Erkrankung muss je nach Ausprägung differenziert betrachtet und behandelt werden. Dazu werden in Zukunft noch stärker die Mechanismen, die mit einer Suchtentwicklung im Zusammenhang stehen, in Betracht gezogen werden. Die Fachtagung machte aber auch deutlich, dass die Anbieter*innen zum Beispiel von Computerspielen noch stärker in die Verantwortung genommen werden müssen, um diese Mechanismen zu entschärfen.

Die Tagung wurde mit einem Vortrag von Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Lübeck) über „Internetbezogene Störungen“ eröffnet, der die Grenze zwischen einem ausgewogenen Gebrauch des Internets und einer suchtartigen Nutzung aufzeigte. Da sich eine exzessive Nutzung des Internets auf verschiedene Formen, wie die Nutzung von Social Media oder Computerspielen beziehen kann, sind die Bezeichnungen für dieses Phänomen teilweise nicht einheitlich und sehr vielfältig, so Rumpf weiter. Er plädierte daher für eine vereinheitlichende Bezeichnung als „Internetnutzungsstörung“ für Probleme aufgrund von Verhaltensweisen, die überwiegend online ausgeführt werden. Dies soll gleichzeitig auch Stigmatisierungen von Betroffenen aufgrund des Suchtbegriffs entgegenwirken.

Prof. Dr. Florian Rehbein (Fachhochschule Münster) ging in seinem Vortrag auf die Bedeutung der Computerspielenutzung und den aktuellen Stand der Suchtprävention ein. Historisch einmalig sei der Gebrauch von Computerspielen bereits im Vorschulalter, so Dr. Florian Rehbein. Aktuell spiegeln jedoch die Alterskennzeichnung und somit auch der Jugendschutz von Spielen nicht ihr Suchtrisiko für Spieler*innen wider. Das sollte geändert werden. Doch nicht nur hier sieht Prof. Dr. Rehbein Handlungsbedarf, sondern u. a. auch in den Bereichen Früherkennung und Verhältnisprävention.

Dr. Bernd Sobottka (MEDIAN Klinik Schweriner See) gab in seinem Beitrag Einblicke in den klinischen Alltag bei der Behandlung und Therapie von erwachsenen Computerspieler*innen. Der überwiegende Teil der Menschen, die sich wegen einer Computerspielstörung in Therapie befinden, seien jüngere Männer, so Dr. Sobottka. Die ersten beiden Wochen der stationären Behandlung seien meist eine kritische Phase, sobald diese überstanden sei, sind die Chancen die Therapie regulär und mit Erfolg abzuschließen gut, so Dr. Sobottka. Mit der entsprechenden Nachsorge in ambulanten Suchtberatungsstellen und Suchtselbsthilfegruppen kann ein Großteil der Computerspieler*innen einen kompetenten und stabilen Umgang mit dem Computer und dem Internet beibehalten.

Nach den Impulsvorträgen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in insgesamt sechs themenspezifischen Workshops auszutauschen und Aspekte der Internetnutzungsstörung weiter zu vertiefen. Unter anderem ging es dabei um Konvergenzen im Bereich Gaming und Gambling, den Einsatz digitaler Medien in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die Behandlung von Jugendlichen bei Computerspielsucht, die Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung in Social Media, die Begleitung von Jugendlichen auf dem Weg in die Medienmündigkeit sowie Einblicke in aktuelle Gaming-Trends. Die Zusammenfassung der Workshops können Sie hier herunterladen.

Im Abschlussvortrag „Internetpornografie – von der Normalisierung zur Diagnose“ stellte Dietrich Riesen (return Fachstelle Mediensucht Hannover) dar, dass der Konsum von pornographischen Inhalten lange Zeit verharmlost und tabuisiert wurde. Die Einführung der Diagnose „Pornografienutzungsstörung“ führt nun zu einem Wandel. Mehr und mehr Menschen suchen aufgrund ihres exzessiven Pornokonsums Hilfe in Beratungsstellen, auch in Hamburg. Der leichte Zugang und die Anonymität zur digitalen Sexualität trägt dazu bei, dass vermehrt Pornos konsumiert werden, so Dietrich Riesen. In der Behandlung liegt der Fokus auf Reflexion, Grenzen setzen und Alternativen aufzeigen. Es gilt sich diesem Thema weiterhin stärker zu öffnen, sowohl in der Suchthilfe als auch in der Politik.

Vorträge zum Download:

Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf - Internetnutzungsstörung: Was wissen wir zu diesem neuen Phänomen?

Prof. Dr. Florian Rehbein - Bedeutung der Computerspielnutzungsstörung im Jugendalter und aktueller Status der Suchtprävention (nur als Video verfügbar)

Dr. Bernd Sobottoka - Behandlung und Therapie bei erwachsenen Computerspieler*innen – Einblicke in den klinischen Alltag

Dietrich Riesen - Internetpornografie – von der Normalisierung zur Diagnose

Ausgewählte Vorträge können auf dem YouTube-Kanal von SUCHT.HAMBURG angesehen werden.

Kontakt

SUCHT.HAMBURG
Information.Prävention.
Hilfe.Netzwerk.

Repsoldstr. 4
20097 Hamburg
Fon: 040 284 99 18-0
service@sucht-hamburg.de
www.sucht-hamburg.de

Ansprechpartnerin

Christiane Lieb
(Geschäftsführerin)