Staatsrat Tim Angerer eröffnete die von SUCHT.HAMBURG am 19. November 2025 veranstaltete Fachtagung „STRESS.KONSUM.SUCHT. - Perspektiven der Prävention und Beratung“ in der Stiftung Kultur Palast in Billstedt. An der Tagung nahmen 100 Fachkräfte und Expert*innen aus den Bereichen Suchthilfe und -prävention, Bildung, Gesundheitsförderung und medizinische Versorgung sowie Vertreter*innen aus Politik und Behörden teil.
Hintergrund der Themenwahl der Tagung ist die Wahrnehmung, dass Stress aktuell ein ständiger Begleiter unseres Lebens zu sein scheint. Rund zwei Drittel der Menschen in Deutschland geben an, sich häufig oder manchmal gestresst zu fühlen, und fast die Hälfte empfindet das Leben heute als stressiger als vor 15 Jahren. Stress kann eine Vielzahl von Erkrankungen auslösen, die sowohl die Psyche als auch den Körper betreffen. Und Stress beeinflusst auch den Umgang mit psychoaktiven Substanzen und suchthaften Verhaltensweisen. Daher beschäftigten wir uns im Rahmen unserer Tagung mit Fragen wie: Nehmen Abhängigkeitserkrankungen in stressbelasteten Phasen zu? Welche Auswirkungen haben solche Phasen insbesondere auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen? Was bedeutet dies für die Suchtprävention? Und vor allem: wie können Menschen trotz großer Belastungen stabil und gesund bleiben – oder wieder werden?
Nach der Begrüßung führte der Vortrag „Stress: Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf Denken, Fühlen und Handeln“ von Prof. Dr. Susanne Vogel (MSH Medical School Hamburg) in das Thema der Tagung ein. Sie erläuterte, wie Stress als psychologisches Konzept verstanden wird und welche Mechanismen dabei auf kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Ebene wirksam sind – sowohl bei Betroffenen als auch bei Fachkräften. Ihr Beitrag machte deutlich, dass Stress nicht nur ein individuelles, sondern auch ein strukturelles Phänomen ist, das die Arbeit in Prävention und Beratung nachhaltig beeinflusst. Anschließend gab Dr. Lisa Hasenbein (Deutsches Jugendinstitut München) in ihrem Vortrag „Gesundes Aufwachsen inmitten von Spannungsfeldern?“ Einblicke in die Lebenswelten junger Menschen in Deutschland. Sie zeigte anhand empirischer Daten, wie gesellschaftliche Krisen, ökonomische Unsicherheiten und familiäre Belastungen das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen prägen. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung von Schutzfaktoren wie stabile Beziehungen und niedrigschwellige Unterstützungsangebote.
Nach einer kurzen Pause folgte Niobe Osius (SUCHT.HAMBURG) mit dem Vortrag „Drogen sind out – oder doch nicht? Erkenntnisse aus 20 Jahren SCHULBUS“, in dem sie aktuelle Trends und Entwicklungen im Konsumverhalten Jugendlicher darstellte. Die Langzeitdaten verdeutlichen, dass sich Konsummuster verschieben: Während klassische Substanzen teilweise an Bedeutung verlieren, treten neue Herausforderungen wie Medikamentenmissbrauch und digitale Stressfaktoren stärker in den Vordergrund.
Die anschließende Gesprächsrunde „Der Druck steigt – Impulse zum Umgang mit Stress in gesellschaftlichen Krisen“ mit Bianca Kunze (jhj Hamburg e.V.), Nadja Borlinghaus (Frauenperspektiven e.V.) und Petra Hofrichter (Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V.) bot praxisnahe Einblicke für die Arbeit in belasteten Zeiten. Diskutiert wurden unter anderem die Rolle von Resilienzförderung, die Bedeutung von Netzwerken und die Notwendigkeit, Fachkräfte selbst vor Überlastung zu schützen.
Am Nachmittag vertieften die Teilnehmenden ihr Wissen in sechs themenspezifischen Workshops. Die Bandbreite der Themen reichte von Selbstmedikation in Krisen über Coping-Strategien und Konsummotivation der GenZ bis hin zu rassismusbedingtem Stress, psychischer Flexibilität als Schutzfaktor und Ansätzen der Sofortintervention bei Jugendlichen.
Im Workshop „Rassismusbedingter Stress und mögliche Folgen für die psychische Gesundheit“ beleuchtete Zami Khalil die Frage, welche Auswirkungen rassistische Erfahrungen auf die Gesundheit von Betroffenen haben und wie Menschen im klinischen Kontext mit dieser belastenden Realität umgehen. Als klinischer Psychologe und selbst von Rassismus betroffener Mensch verband Khalil wissenschaftliche Fakten mit lebensnahen Erzählungen. Zum Abschluss griff er ein Zitat des Schriftstellers Caleb Azumah Nelson auf, das eine zentrale Botschaft für Fachkräfte formuliert: „There is a difference between being looked at and being seen.“
Der Workshop „Psychische Flexibilität als Schutzfaktor – Stressbewältigung mithilfe der ACT“ von Shirley Hartlage stieß mit 37 Teilnehmenden auf sehr großes Interesse. Hartlage stellte die Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) nach Steven Hayes und Russ Harris vor, deren Ziel es ist, Menschen zu unterstützen, trotz schmerzvoller Erfahrungen ein erfülltes Leben zu führen. Im Mittelpunkt stehen sechs Kernfähigkeiten, die die psychische Flexibilität fördern. Schritt für Schritt erläuterte die Referentin die Grundprinzipien und veranschaulichte sie praxisnah gemeinsam mit den Teilnehmenden.
Der Workshop „Digitaler Stress oder normale Mediennutzung? Jugendalltag trifft überforderte Eltern“ von Cathrin Tettenborn zeigte die Spannung zwischen jugendlichem Medienalltag und elterlicher Überforderung und machte deutlich, wie schnell normale Nutzung im Familienalltag als „Problem“ oder „Sucht“ gelesen werden kann. Anhand praxisnaher Szenarien arbeiteten die Teilnehmenden heraus, welche Bedürfnisse Jugendliche verfolgen und welche Ängste Eltern antreiben. Besonders sichtbar wurde, dass viele Konflikte weniger mit Medien selbst als mit Kontrollverlust, Unsicherheit und fehlender Verständigung zusammenhängen.
Im Workshop „HaLT – Multipel belastet und akut gefährdet: Ansätze der Sofortintervention“ gaben Katrin Vlaar und Stefanie Hubrich Einblicke in das bundesweite Alkoholpräventionsprojekt HaLT – Hart am Limit und die Arbeit der Hamburger Standorte. Das Projekt verfolgt einen proaktiven Ansatz mit Präventionsmaßnahmen wie der Umsetzung des Jugendschutzgesetzes und der Sensibilisierung für Alkoholkonsumrisiken sowie einen reaktiven Ansatz für Jugendliche, die durch riskanten Konsum auffällig geworden sind. In Hamburg erfolgt die Sofortintervention meist direkt am Krankenhausbett nach einer Alkoholintoxikation. Diskutiert wurde, welche Jugendlichen erreicht werden, wie sich ihre Problemlagen seit 2011 verändert haben und was sie für ein gesundheitsförderliches Aufwachsen unter multiplen Belastungen benötigen.
Vorträge zum Download:
Stress: Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf Denken, Fühlen und Handeln“ – Psychologische Sichtweisen auf Belastungen bei Betroffenen und Fachkräften (Prof. Dr. Susanne Vogel | MSH Medical School Hamburg) Auf Anfrage
Gesundes Aufwachsen inmitten von Spannungsfeldern? Ein Blick in die Lebenswelten junger Menschen in Deutschland (Dr. Lisa Hasenbein | Deutsches Jugendinstitut München) Auf Anfrage
Drogen sind out – oder doch nicht? Erkenntnisse aus 20 Jahren SCHULBUS (Niobe Osius | SUCHT.HAMBURG) Download
Workshops:
"Overstimulation. Anxiety Society. Downer." Coping-Strategien und Konsummotivationen der GenZ (Rüdiger Schmolke | Chill out e.V.) Download
"Digitaler Stress oder normale Mediennutzung? Jugendalltag trifft überforderte Eltern" (Cathrin Tettenborn | SUCHT.HAMBURG) Download
"HaLT – Multipel belastet und akut gefährdet: Ansätze der Sofortintervention" (Stefanie Hubrich | SUCHT.HAMBURG und Katrin Vlaar | jugend.drogen.beratung.kö) Download
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